Hey,
ich hab' gesehen, dass auch in Deutschland nach wochenlanger Flaute endlich ein paar Sonnenstrahlen eingetroffen sind. Wettertechnisch scheine ich also echt nichts verpasst zu haben in den letzten Monaten. Wenn mich meine Klassenkameraden hier nach dem deutschen Sommer fragen, fällt deshalb meine Antwort meistens so aus:
Eine heiße Woche im Mai -> "Das wird bestimmt der Rekordsommer dieses Jahr!" -> Juni: 15°C, leicht regnerisch -> Juli: 16°C, leicht regnerisch -> Bildzeitung titelt "WO BLEIBT DER SOMMER????" -> August: 3 Tage Sonnenschein, hoffen auf den "Altweibersommer", September: 14°C, leicht regnerisch -> Oktober: Meteorologen geben bekannt: Statistisch waren die Temperaturen dieses Jahr viel zu hoch.
Das koreanische Wetter ist auf eine andere Weise extrem, denn durch mir nicht bekannte klimatische Besonderheiten ist die heißeste Zeit des Sommers auch gleichzeitig die Zeit, in der monsunartige Regenfälle auf das Land niederprasseln. Ca. 2-3 Wochen lang hat man also ununterbrochene Niederschläge mit richtig dicken Tropfen, es fühlt sich aber meistens eher an wie eine warme Dusche.
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Land unter! |
In diesen Wochen laufen selbst die Bewohner Seouls, eigentlich extrem auf ihr Äußeres bedacht, fast ausschließlich in Gummistiefeln, Flip-Flops oder Badelatschen durch die Stadt.
Doch diese Regenzeit ist nun vorüber. Das bedeutet: Die Sonne knallt in diesen Tagen wie nichts Gutes! Laut Wetter-App hatten wir in den letzten Tagen immer zwischen 34 und 39 gefühlten Grad Celsius - in Hinblick auf unseren deutschen Sommer also ein Extrem in entgegengesetzter Richtung, wobei ich noch nicht weiß, was mir lieber ist.
Einen solchen, knallharten Sommertag habe ich auch für meine Reise zur Expo nach Yeosu am Samstag erwischt.
Mein Trip zur Expo
Vielleicht erst einmal Folgendes vorweg: Es handelt sich bei der diesjährigen, südkoreanischen Ausstellung um eine kleine Expo - die Expo 2000 in Hannover war hingegen eine der großen Sorte, was ich aber auch erst im Nachhinein erfahren habe. Große Weltausstellungen finden demnach alle 5 Jahre statt, die Wartezeit wird aber immer durch eine weitere, wie die diesjährige aufgefüllt.
Die Ausstellung in Yeosu hat das Thema "Lebendiger Ozean, lebendige Küste". Klingt eigentlich ganz interessant, hat aber in den ersten Monaten kaum jemanden in Korea interessiert, weswegen innerhalb kurzer Zeit sowohl die Ticketpreise extrem vergünstigt, als auch Bustouren in diese südliche Hafenstadt, vier Stunden von Seoul entfernt, subventioniert wurden.
Für Hin- und Rückfahrt hab ich ca. 17€ bezahlt und unsere Tickets haben (dank Connections) unschlagbare 2€ gekostet (in Worten: Zwei Euro!).
Nun ist meine Vorbereitung auf diesen Trip leider nicht besonders optimal gelaufen. Die Abfahrtszeit des Busses war auf 7 Uhr morgens festgesetzt. Der Abfahrtsort lag aber im östlichen Zentralseoul, etwa eine Stunde von mir entfernt. Summa Summarum hätte ich deswegen theoretisch etwa kurz vor fünf Uhr morgens aufstehen müssen. Da ich aber praktisch um drei Uhr nachts immer noch mit zwei Freundinnen im Noraebang (=Karaoke) saß (inkl. einer 100/100 Performance von Justin Biebers Smashhit "Baby"!!!!), hieß es: Kein Schlaf für Jona. Also kurz nach Hause, geduscht, Zähne geputzt, umgezogen und wieder Richtung Subway. Ich sag's euch: Zu dieser Uhrzeit wandeln echt nur noch südkoreanische Alkoholleichen durch mein Viertel, wobei die noch in einer vergleichsweise angenehmen Situation sind. Nicht wenige können nichtmal mehr gehen oder sprechen und liegen einfach auf dem Gehweg, unter Bäumen oder auf Mauervorsprüngen.
Die Fahrt war ganz in Ordnung, obwohl unser Busfahrer ununterbrochen einhändig gefahren ist. Zumindest eins seiner beiden Handys hat nämlich immer geklingelt. Nebenjob Callcenter-Agent?! - durchaus vorstellbar!
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Themengerecht direkt am Wasser: Das Expo-Gelände. |
Bevor ich euch von der Expo an sich berichte, muss ich aber noch ein paar Worte zu meiner Begleitung loswerden. Organisiert wurde das Ganze vom Freund einer Freundin eines Freundes. De facto kannte ich also nur ein Mädel - und das auch nur flüchtig. Bereits in den ersten Minuten der Busfahrt wurde mir dann leider ganz schnell klar, dass unsere Gruppenchemie echt mal so überhaupt nicht stimmte. Ich komme ja eigentlich mit jedem irgendwie aus, aber diese Leute (inkl. des mir halbwegs bekannten Mädels) waren eine Challenge, die ich schlichtweg nicht meistern konnte: Es wurde sich weder vorgestellt, noch kommuniziert. Niemand schien wirklich irgendwie Lust auf den Trip zu haben. Das Anstrengendste: Keiner (bis auf mich) hatte irgendwelche Wünsche. Und so dauerte alleine das Finden eines Restaurants zum Mittag fast eine Stunde, weil niemand außer mir sich irgendwie äußern wollte.
Zum Glück hatte ein guter Freund von mir die selbe Tour gebucht und kam wenig später am gleichen Gate an. Wir wollten dann erst zu fünft rumlaufen, aber auch für ihn war diese Ansammlung von Personen "probably the weirdest and unsymphatic group of friends of a friend", die er nach eigener Aussage jemals erlebt hatte.
... und unglücklicherweise haben wir diese auf der Suche nach einer Gelände-Karte dann auch ganz schnell verloren!
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Zwischen den großen Ausstellungshallen: Ansprechende Architektur. |
Da ich mein Handy ausgemacht habe, um meine ursprüngliche Gruppe auf keinen Fall mehr wiederzufinden, habe ich leider keine Fotos vom Inneren des deutschen Pavillions, vielleicht kann ich demnächst welche nachreichen.
Insgesamt kann man sagen, dass "unsere" Ausstellung eine der Inhaltsvolleren ist. Bevor es in ein 360° Kino geht, durchquert man zwei oder drei Räume, in denen den Besuchern durchaus ton- und textlastig von deutscher Technik zur Erdbebenaufklärung, Initiativen gegen Überfischung und alternativen Energien berichtet wird. Hier und da gibt es einen Foto-Spot, ein Spiel oder interaktive Leinwände. Mein Eindruck war aber, dass dieser Part eigentlich keinen Koreaner wirklich interessiert und die zwei Stunden Wartezeit vor allem für den wirklich ansehnlichen Film investiert werden (dank Suill-Gi, einer deutsch/koreanischen Freundin, die im deutschen Pavillion arbeitet, wurde uns das Anstellen zum Glück erspart!). Insgesamt würde ich aber durchaus behaupten, dass wir sympathisch rüberkommen - und das angeschlossene, deutsche Restaurant schien auch wirklich beliebt zu sein.
Dass uns die Schweizer im Nebengebäude trotzdem den Rang ablaufen, liegt daran, dass sie mit ihrem Pavillon wirklich perfekt die koreanische Zielgruppe treffen. Denn was wollen Koreaner in ihrer wertvollen Freizeit machen? - Richtig! Sie wollen nichts lernen - das tun sie eh jeden Tag - sondern unterhalten werden, Fotos machen und am besten ein besonderes Souvenir mitnehmen.
Und so spaziert man in der Schweiz durch ein paar höhlenartige Gänge, an deren Wänden einige stichwortartige facts zum Thema Trinkwasser angebracht sind. Alle paar Meter findet sich ein Foto-Spot, an dem man sich von einem Beamer verschiedene Dinge auf das Shirt oder in die Handflächen projizieren lassen kann. In der Praxis sieht es dann zum Beispiel so aus, als ob man einen See in den Handflächen hat und ein Taucher in diesem rumschnorchelt. Nach dem einen oder anderen Multimedia-Riesenleinwand-Film (Alpen, Kristallsee), wird am Ausgang original Schweizer Leitungswasser in winzigen Bechern ausgeschenkt - für die meisten Koreaner durchaus etwas Außergewöhnliches und Beeindruckendes, denn das Leistungswasser hier sollte man besser nicht trinken.
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Flug über die Alpen im Schweizer Pavillion. |
Weil es sich um eine kleine Expo handelt, wurden die Ausstellungshallen übrigens länderspezifisch aus-, aber - etwa im Gegensatz zu Hannover 2000 - nicht neugebaut. Und weil der Platz deshalb überschaubar ist, setzen die meisten Länder auf eine Hauptattraktion und einige wenige Räume im Vorfeld. Der Oman bietet zum Beispiel eine 5-minütige 4D-Filmvorstellung inkl. Einsatz von spritzendem Wasser und beweglichen Stühlen. Selbst Kasachstan hat sich ein Kino in seine Räumlichkeiten bauen lassen, mischt seinen (etwas merkwürdigen) Film aber mit einigen traditionellen Live-Tänzen und Gesangseinlagen. Informationen oder Beiträge zum Motto der Expo waren in den von mir besuchten Pavillons insgesamt sehr, sehr rar.
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Diese "Wellen-Architektur" zieht sich über das ganze Gelände. |
Ein "Must see!" der Expo ist eigentlich auch das große Aquarium. Weil man allerdings fünf Stunden dafür anstehen musste, haben wir das mal wohlwollend abgehakt und ausgelassen.
Zum Abschluss des Tags gab es um 21.00 Uhr dann noch eine große Wasser/Feuer/Licht-Show, die wirklich ein Augenschmaus war, aber von mir auf Grund der sich langsam ausbreitenden Müdigkeit und meinem ungünstigen Beton-Sitzplatz in Front eines Absperrgitters, umringt von einer immensen Menschenmasse, nicht mehr wirklich genossen werden konnte.
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Verrückt: Eine Leinwand aus Wasser! |
Und noch ein Zusatz: Wer von euch ansatzweise noch das Bild vom über-höflichen Asiaten im Kopf hat, lasst euch sagen: Zumindest in Südkorea trifft das in der Regel nur für die Umgangsform innerhalb des eigenen Netzwerks zu. Ich habe selten so viele sich vordrängelnde Menschengruppen gesehen und noch nie an einem Tag so viele Ellbogen in meinem Kreuz gespürt, wie am Samstag. Und besonders die Eommas, 50+-jährige resolute Muttis, sind die Schlimmsten, sag ich euch! :-)
Und sonst so?
Was ist sonst so letzte Woche passiert? Eigentlich verhältnismäßig wenig, ich habe vor allem Freunde getroffen. Bei einer dieser Gelegenheiten haben wir auch endlich mal wieder eine Bar gefunden, die deutsches Bier ausgeschenkt hat. Ich hatte mir eigentlich eingebildet, dass das koreanische Bier dem deutschen gar nicht mal sooo unähnlich ist. Aber seit besagtem Barbesuch weiß ich, dass es durchaus einen Grund hat, warum wir für unser Nationalgetränk weltweit Ruhm einstreichen und ich von so ziemlich jedem (!) Menschen hier darauf angesprochen werde. Ich trinke zwar in Deutschland wohl eher unterdurchschnittlich viel Bier, aber das hier hat echt mal verdammt gut getan und war seine 7,00 € (!!!) wirklich wert.
Montag bin ich mit einem Freund zufällig in einem Park in Hongdae gelandet, wo sich eine koreanische Girlgroup gerade anstellte, einen Guerillia-Auftritt hinzulegen. Ich habe die Band ("D-Unit") anschließend mal gegoogelt: Anscheinend wurden sie - Suprise, Suprise - im Rahmen einer TV-Doku gecastet und sollen mit ihrer Gothic-angehauchten Kleidung eine Zielgruppe ansprechen, die bisher von Sistar und Konsorten nicht erreicht wird. Whatever - die Musik ist typischer K-Pop.
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Randnotiz: Alter, waren die winzig! |
So. Das war dann also mein vorletzter Eintrag aus Sinchon, Seoul. Diese Woche geht auch wieder meine Schule los, wo ich den ersten Aufbaukurs besuchen werde. Von einer Mitschülerin habe ich schon gehört, dass ihre Lehrerin extrem schlecht ist - ich hoffe mal, dass ich Glück habe.
Ansonsten trudeln so langsam auch immer mehr deutsche Bekannte hier in Seoul ein. Jonathan (Ja, ein Namensvetter!), den ich aus Göttingen kenne, besucht hier ab übermorgen seine Freundin und in einer Woche ist dann auch Stefan hier, mit dem ich seit der siebten Klasse befreundet bin. Vor ein paar Tagen haben wir unseren Trip an die nordkoreanische Grenze gebucht - das wird definitiv eins der Highlights meiner Reise.
Ich hoffe ihr genießt die Sonnenstrahlen in Deutschland - in zwei Wochen bin ich wieder da!
Jonathan