Ist wirklich schon wieder eine Woche rum? Ich hab das Gefühl, dass die Zeit im Expresstempo vorbeieilt. Aber das ist wahrscheinlich ein gutes Zeichen, denn war der letzte Post noch einer der Kategorie "Pleiten, Pech & Pannen", ist inzwischen so etwas wie ein halbwegs normaler Alltag hier für mich eingekehrt.
In den Kommentaren zu meinem ersten Blogeintrag wurden mehr Fotos gefordert. Deswegen wird sich der Textanteil ein wenig zu Gunsten der Fotos reduzieren - habe heute extra das eine oder andere mal die Kamera rausgeholt.
Also: Wie sieht mein Alltag derzeit aus? - Eigentlich wie der eines ganz normalen Schülers, was sich jedoch nach etlichen Jahren Universität, Jobben etc. doch relativ seltsam anfühlt.
Mein Wecker klingelt morgens, ich mach' mich fertig, packe meine "Schultasche", besorge mir bei einem der unzähligen kleinen Supermärkte etwas zu trinken (oder zapfe die stille- Mineralwasservorräte meines Apartmentkomplexes an) und schlendere Richtung Schule.
Mein Apartment 1: Groß ist anders - aber nur 10 Minuten Schulweg sind für Seoul verdammt gut. |
Mein Apartment 2: Was fehlt? - Genau, meine Waschmaschine. |
Hier geht's jeden Morgen lang. |
Natürlich bin ich meistens relativ spät dran und kriege deswegen so gut wie nie den Aufzug im Schulgebäude. Das bedeutet: Sechs Stockwerke hochhetzen - zum Glück ist unsere Lehrerin auch immer drei, vier Minuten zu spät dran. Wie es sich für den schlechtesten Schüler der Klasse gehört, sitze ich freiwillig in der letzten Reihe und dort an der äußersten Seite. Das rettet mich in der Praxis trotzdem so gut wie nie vor dem Aufgerufen-werden.
Am Anfang der Stunde werden von der Lehrerin erstmal die Hausaufgaben kontrolliert, anschließend hetzen wir dann drei Stunden durch unseren koreanischen "Crashkurs".
Ich habe bereits im letzten Post erwähnt, dass das Ganze für die zahlreichen Japaner relativ einfach ist - für mich jedoch bleibt die Sprache jedoch bislang wirklich eine harte Challenge und ich muss zu Hause viel nacharbeiten. Mein größtes Problem ist das Tempo im Unterricht: Die fünf Minuten zuvor überflogenen neuen Vokabeln tauchen meistens wie selbstverständlich in den folgenden Grammatikübungen wieder auf. Während meine Sitznachbarin Yoko dann schon Maschinengewehr-artig die Beispielsätze in ihr Workbook reindonnert, bin ich mir bei vielen Vokabeln nichtmal sicher, ob es sich um irgendeine neue Verbform, einen Eigennamen oder was auch immer handelt.
Trotzdem mache ich irgendwie Fortschritte, was glücklicherweise auch schon meinem Landsmann Christopher aufgefallen ist: Für nun 8 Tage Unterricht ohne Vorkenntnisse ist mein Koreanisch wahrscheinlich gar nicht mal so übel. Mein Highlight in dieser Beziehung war ein kurzes Gespräch mit unserem Hausmeister, dem ich stolz meinen Namen, Alter und Nationalität nennen konnte. Bei dieser Gelegenheit habe ich ihm mit einer Mischung aus Koreanisch, Englisch, Händen & Füßen auch noch einmal zu verstehen gegeben, dass es langsam mal Zeit wäre, dass meine Waschmaschine geliefert wird. Nächste Woche werdet ihr erfahren, ob er mich verstanden hat - oder meine Handwaschskills weiterhin gefordert werden.
Nach der Schule geht meine Klasse zumeist gemeinsam essen. Erik, Amerikaner mit chinesischen Wurzeln und koreanischer Freundin kennt glücklicherweise eine ganze Palette an "Geheimtipps", die wir nun Tag für Tag abarbeiten. Vielleicht habt ihr einige dieser Fotos, die bei diesen Gelegenheiten entstanden sind, auf Facebook gesehen. Ich habe es übrigens (mir schleierhaft!) geschafft, mir bei den anderen das Image des "hungrigen Jonathan" zu erarbeiten - aber warum auch nicht, denn das Essen ist hier tatsächlich etwas ganz Besonderes.
Das Gericht, das ich bislang am häufigsten bestellt habe, heißt bibimbap, was übersetzt wohl so etwas wie "ein bisschen von allem" heißt. Es setzt sich zusammen aus Reis, unterschiedlichem Gemüse (Immer dabei: Sojasprossen, Karotten und Salatblätter) und einer Sesamsoße und wird nach dem Servieren mit den Stäbchen vermischt. Obligatorisch (wie bei jeder koreanischen Malzeit) werden dazu sidedishes mit anderem Gemüse, Soßen, Salaten und ab und zu auch eine Suppe serviert. Außerdem öfter dabei: Ein Ei oder gegrillte Fleischstücke. Wenn ich euch schreibe, dass das Ganze umgerechnet nur um die 3 Euro kostet (und das Wasser dazu sowieso immer gratis ist), wisst ihr, warum das Ganze so etwas wie mein Standardgericht geworden ist, das ich wirklich alle 2 Tage esse.
Übrigens: Koreaner lieben es in größeren Gruppen essen zu gehen. Am Eingang des Restaurants wird die Anzahl der Personen angegeben, anschließend werden Tische zusammengeschoben und die Speisekarten ausgeteilt. Anschließend wird nie individuell bestellt, sondern man einigt sich auf zwei bis drei große Gerichte, die dann sowohl am Tisch als auch beim Bezahlen geteilt werden. Eine sehr, sehr gute Tradition - jedenfalls wenn man das Image des hungrigen Jonathan hat und seine Pfanne mit zwei kleinen Asiaten teilen darf ;-).
Das Essen wird in diesen Restaurants immer direkt am Tisch zubereitet. Zu diesem Zweck verlaufen überall kleine Gasleitungen durch das Restaurant, die die in die Tische eingelassenen Kochstellen befeuern. Inzwischen haben wir Foreigner sogar gelernt, welche Bezeichnung für "extra spicy" steht - und das war wirklich nötig!
Zu guter letzt noch ein kleines Update: Ich konnte diese Woche zwei sehr wichtige Dinge von meiner To-Do-Liste streichen. Zum einen habe ich endlich einen Geldautomaten gefunden, der sich sowohl auf Englisch umstellen lässt, als auch meine western VISA-Card akzeptiert. Zum anderen bin ich jetzt offizieller Subway-Pro (und nein, ich meine nicht die Fastfoodkette, Daniel!).
Ich muss zugeben, dass mir dieses riesige Streckennetz bei meiner ersten Fahrt durchaus Respekt eingeflößt hat. Dass nach meiner ersten Fahrt und dem Versuch den Ausgang zu durchqueren ein Alarm losging und ich die Station erst nach einem klärenden Gespräch an einer Funksäule verlassen konnte, trug auch nicht gerade dazu bei, dass ich unbedingt große Lust hatte das Ding zu nutzen.
Aber Hey - ich bin ja genau in Korea, um genau solche Herausforderungen anzunehmen. Deswegen bin ich Mittwoch einfach mal ein bisschen rumgefahren.
Das läuft dann folgendermaßen: Man kauft sich in der Regel kein Ticket, sondern nutzt eine elektronische Karte, die beim Ein- und Ausgang jeweils gecheckt und je nach Fahrtlänge belastet wird. Zur Sicherheit habe ich an diesem Tag wirklich eine Unsumme darauf eingezahlt um ja nicht irgendwo liegen zu bleiben.
Mein Resümee: Wir sind jetzt gute Freunde, die Metro und ich! Heute hat sie mich zum Beispiel in einen angrenzenden Stadtteil gebracht, wo ich eine kleine Führung von Jihye, einer koreanischen Freundin meiner Schwester, gekriegt habe. Hier sind ein paar unserer Stationen bebildert.
Station 1: Möbel des dänischen Designers Finn Juhl aus den 60ern ... |
... seines Zeichens einer der einflussreichsten Künstler auf das ... |
... ,was wir bei uns wohl als IKEA-Stil bezeichnen würde. |
Station 2: Gyeongbokgung-Palast: Laut Guide fiel hier Königin Min 1895 einem Angriff japanischer Ninjas zum Opfer. (Sollte man an dieser Stelle "leider geil!" schreiben?!) |
So, das war heute mal ein kürzerer Post, den trotz des Wochenendes bin ich derzeit relativ gestresst und habe es nicht einmal geschafft Vokabeln zu wiederholen, was gleichbedeutend mit einem Montag der eher unangenehmeren Sorte ist. Die Koreaner haben für so ziemlich jeden Grad der Verwandtschaftsbeziehung eine eigene Vokabel. Gut - gewundert hat mich das nicht, aber ich kann bisher gerade mal zwei: Mama und Papa.
Der Stress resultiert vor allem daraus, dass ich derzeit von Korea aus meine Bewerbung für eine Traineestelle in Deutschland ausarbeiten muss. Abgabeschluss ist der 30. Juni - also drückt mir die Daumen!
Wie gehabt noch ein paar abschließende Impressionen:
Ohne Sonnenbrille gibt's ab und zu mal eine Reizüberflutung: Wohngebiet in Gwanghwamun. |
No comment. |
Mein Bezirk, alter! Sinchon City. |
P.S: Wahrscheinlich haben die meisten von Euch mitbekommen, was in meinem kleinen Heimatdörfchen Groß Ilsede letzte Woche passiert ist. Ich wollte nur kurz anfügen, dass ich alles mitverfolgt und oft an Euch gedacht habe. Ich kann das alles selbst noch nicht richtig einordnen: Was für eine Tragödie...
Joni, schön von dir zu hören! Du kommst gleich in meinen Feedreader. Und das mit dem Essen klingt sehr gut. Alles Gute für Dich!
AntwortenLöschenPapa
Yey, die Wohnung ist doch ziemlich kool. UNd die Japaner haben bestimmt alle schon 3 Jahre koreanisch an der Uni gehabt, also keine Sorge :P
AntwortenLöschenIch foredere mehr Fotos vom Essen. In Japan wird das eigene Essen oft fotografiert und ist eines der beliebtesten, wenn nicht sogar beliebteste, Gesprächsthema.
Viel erfolg mit der Bewerbung auf jeden Fall! Hast ja wieder ne challenge mit der Aufgabe nen Copyshop zu finden. Kannst ja mit der Restzeit am Computer in SCII pwnoRn.
Die Sonnenbrille war mir auch schon auf den einschlägigen Facebook-Bildern aufgefallen. Sehr gut! HF
das erinnert mich soo an meinen französischunterricht! :) nur, dass ich da dank meiner lateinkenntnisse wenigstens schriftlich etwas verstanden habe und mich so durchgewurschtelt habe. hätte ich so viel gelernt wie du, wär ich wahrscheinlich noch zum profi mutiert... :)
AntwortenLöschenIrgendwie erinnert mich das an den hungrigen Hugo :D
AntwortenLöschenIch fände mehr Fotos aus deiner Wohngegend gut ;-)
Dann ähm.. guten Hunger!
Kleine Korrektur: mein Name ist CHRISTOPH !! hahah und das mit dem Bezahlen. Normalerweise zahlt immer EINER für ALLE. (So wurde es mir am Anfang gesagt). Dabei wird darauf geachtet, daß jeder mal mit dem Zahlen dran kommt und das es etwa gleich viel ist. Nur wir machen es halt auf diese Art und Weiße, was aber - habe ich selber bei meinen Freunden festgestellt, nicht bei den Koreanern üblich ist !!!
AntwortenLöschenAnsonsten - toller Bericht, Jonathan !!!
Wie immer total schön zu lesen, ich liebe deinen Schreibstil! Und ich finde es schön, mit welcher Grundhaltung du an die neuen und befremdlichen Dinge herangehst, die Offenheit und dein Engagement... Die Fotoeindrücke gefallen mir auch sehr... Ach ja, in Shincheon war ich auch, bevor ich mich in den Süden begab... :)
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