Hey,
das Bloggen fällt mir langsam richtig schwer, denn jeder Eintrag bedeutet gleichzeitig, dass wieder eine ganze Woche hinter mir liegt. Drei habe ich noch und ärgere mich zunehmend, dass mein fehlendes Visum jegliche Verlängerung ausschließt (Okay, man könnte tricksen - an dieser Stelle freundliche Grüße an Christoph). Auf der anderen Seite komme ich aber auch wegen eines tollen Anlasses zurück. Eigentlich sind es sogar zwei, denn neben dem Workshop bei Scholz & Friends in Berlin steht noch die Hochzeit zwischen Stefan und Merle an, auf die mich mich wirklich sehr freue, genauso wie darauf, euch alle wieder zu sehen.
Übrigens: Ich glaube, ich habe euch noch nie mein "Haus" von außen gezeigt, oder? Perfekter Einstieg!
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In diesem Komplex wohne ich. Und am Zebrastreifen im Vordergrund (mit Ampel!) habe ich zusammengerechnet bestimmt schon einen halben Tag gestanden. |
Meine vorvorletzte Woche
Die letzte Schulwoche stand unter dem Zeichen der allmonatlichen Abschlussprüfung, die ich ja bereits einmal hinter mir habe. Auch wenn mein B+ damals nicht wirklich gerechtfertigt gewesen ist (das geb ich mal ganz offen zu!), war ich aus meiner Klasse diesmal wohl der Gelassenste. Den zwei Mexikanerinnen war das Ganze zu stressig - sie sind die Woche erst gar nicht mehr aufgetaucht.
Den schriftlichen Teil habe ich dann auch mit 95/100 Punkten abschließen können. Im mündlichen Teil gab es für mich 18 von 20 Punkten. Lustigerweise hat mich in diesem Bereich meine ungeliebte Ex-Lehrerin geprüft und ich hatte somit die Chance es ihr mal richtig zu beweisen! Ha! Ich habe auch tatsächlich alles verstanden, was ich von ihr gefragt wurde und konnte in zusammenhängenden Sätzen antworten: 1 - 1, würde ich sagen, meine Liebe!
Die Japaner/innen, die mir im Vormonat regelmäßig meine Grenzen aufgezeigt hatten, konnten übrigens auch dieses mal wieder die Traumpunktzahl 100/100 erreichen und wurden vom Ceo des Instituts besonders gewürdigt. Wir haben inzwischen die Vermutung, dass dieses Grüppchen schlicht und einfach aus Koreanern besteht, die sich auf diesem Weg (vergeblich) an Foreigner ranmachen wollen :-).
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Das, was am Freitag noch von meiner Klasse übrig geblieben ist: Ich, Hitomi (Japan), Yu (Japan), Valya (Sibirien), unserer Lehrerin, Moni (Kasachstan), Kuralay (Kasachstan). |
Nach der Zeugnisvergabe sind wir noch zusammen Essen gegangen. Weil nicht alle Englisch konnten, wurde tatsächlich die meiste Zeit auf Koreanisch gesprochen. Ich konnte es mir natürlich nicht nehmen lassen, die beiden kasachischen Mädels in gespielter Ernsthaftigkeit mit meinen aus dem Film "Borat" gewonnen Informationen über ihr Heimatland zu konfrontieren, was von ihnen wiederum mit Gesten beantwortet wurde, die anscheinend auf der ganzen Welt Gültigkeit besitzen.
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Gute Sicht, falscher Block: Umgeben von Fans des Gegnerteams. |
"Mein Team" lag auch mal zur Abwechslung schnell 2 - 0 vorne, was in vielen Matches bereits einer Art Vorentscheidung gleichkommt, denn Punkte fallen hier recht selten. Da die Dame vom Kartenhäuschen natürlich kein Englisch konnte, war ich übrigens im falschen Block gelandet und konnte so weder Hymnen meiner Lieblingsspieler mitgröhlen, noch meine Fanausrüstung auspacken, was den Genuss wirklich getrübt hat - genau wie das Endergebnis.
Wie gesagt: Im koreanischen Baseball fallen relativ wenig Punkte, meistens sieht man man Ergebnisse wie 2-3, 1-0, 2-0 etc. - Wenn ich euch jetzt erzähle, dass der Gegner alleine im sechsten Inning fünf Stück (!!!) gemacht hat, könnt ihr euch vielleicht vorstellen, warum es manchmal nicht leicht ist, ein Twins-Fan zu sein, und dass man sich auch nach einer 2 - 0 Führung noch nicht freuen sollte.
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Mal wieder 'ne Niederlage: Aber ein neues Cap hab' ich trotzdem! |
Heute war ich in der Ceox-Mall und habe, wie versprochen, einen Haufen Bilder gemacht. Die Mall liegt im östlichen Teil Seouls (Samseong-Station, World Trade Center Seoul), aber noch relativ zentral. Mit der Subway braucht man von Sinchon um die 45 Minuten, die aber - wie beschrieben - dank W-Lan in den Waggons recht schnell 'rumgehen.
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Die Umgebung der Mall, auch dabei: Audi. |
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Ceox-Plaza. |
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Von vorne! |
Wie im vorletzten Post beschrieben: Shoppen ist die wohl beliebteste Freizeitbeschäftigung der Bewohner Seouls. Und genau wie ihre Wohnorganisation funktioniert auch das Einkaufen anders als bei uns Deutschen, die wir ja zu gerne durch zentrale, von dreistöckigen Fachwerkhäusern gesäumten Einkaufsstraßen schlendern - da schließ ich mich übrigens mit ein!
Der beliebteste Tag für Einkäufe ist der Sonntag, an dem so ziemlich jedes Geschäft fulltime geöffnet ist. Die koreanischen Malls erinnern an riesige Markthallen: Im Inneren lassen sich hunderte von kleinen Geschäften finden, die von eigenständigen Labels/Dachmarken betrieben werden. In der COEX-Mall gibt es zudem ein riesiges 4-D-Kino (die vierte Dimension besteht in diesem Fall aus beweglichen Kinosesseln, Wasser und Duftstoffen, die ins Publikum geblasen werde. Randnotiz: Titanic besser nur in 3D gucken!), das beschriebene Aquarium, ein Convention-Center und eine Kunstgalerie - und natürlich auch auch eine Klinik für plastische Chirurgie.
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Eigener Subway-Aus- und Eingang! |
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So sieht die unterste Etage aus: Diese schlauchartigen Gänge mit Stores und Restaurants links und rechts ziehen sich kilometerlang durch das Gebäude. |
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Das vielleicht rosaste Geschäft der Welt! |
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Awwwwww! |
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Noch eins aus der Kategorie "Awwwwww"! |
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Ist das Pedobär???!!!! Ich hab ein ganzes Geschäft mit seinem Antlitz gefunden!!! |
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Wer wünscht sich nicht eine solche Puppe? |
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Das Ding war bestimmt einen halben Meter groß! |
Glaubt mir: Ich habe eine ganze Tonne an Mitbringseln erstanden und muss jetzt mal anfangen zu überlegen, was ich hier lasse, um Gepäck-Gewicht zu sparen. Das liegt auch daran, dass ich schon so viel Kleidung für mich selbst gekauft habe - Korea ist für meinen Geschmack wirklich ein Einkaufsparadies - und dank eines "Krieg als Ausländer die Mehrwertsteuer am Flughafen zurück!"-Programms, muss ich zum Glück nichtmal ein allzu schlechtes Gewissen haben.
Wie Koreaner Leben: Insights #2
Ich habe euch letztes Mal beschrieben, dass Südkorea in den letzten Jahrzehnten eine immense Entwicklung durchlebt hat. Letzte Woche habe ich mich zum ersten mal mit einem Freund getroffen (Koreaner, lebt in London), den ich - alle Klischees erfüllt - zufällig letztes Jahr in einem Starcraft-Match getroffen habe. Er studiert in London Economics, sein Vater ist so etwas wie der Financial-CEO von Samsung England. Wir hatten ein wirklich interessantes Gespräch über die Thesen, die ich in meinem letzten Blog aufgestellt habe.
Korea vor sechzig Jahren, das war nicht viel mehr als eins der ärmsten Länder der Welt. Regelmäßig kamen die Nachbarn mal aus dem Norden, mal aus dem Süden vorbei, um Gebiete zu besetzen und sich an der Arbeitskraft und den (wenigen) Rohstoffen des Landes und seiner Bewohner zu bereichern. Im Koreakrieg 1950 waren Nordkorea und China mit ihren Truppen fast bis Seoul vorgedrungen, aber von UNO-Truppen zurückgedrängt worden. Der größte Teil der alliierten Truppen bestand dabei aus Amerikanern; aber auch die Türken sendeten eine Spezialtruppe, die immer wieder entscheidende Verteidigungs- und Sabotageaktionen durchführten - und ihrem Land eine bis heute in Südkorea anhaltenden Sympathie sicherten (dazu bald mehr: diese Woche komme ich einer alten Faerberschen Familientradition nach und werde ein Kriegsmuseum besuchen).
Die südkoreanische Führung stand somit vor folgender Situation: Ein bitterarmes Land, bergige Landstriche ohne viele Rohstoffe, zudem ein hochgerüsteter Nachbar, dem man auch durchaus einen weiteren Einmarsch-Versuch zutraute - bei die Siedler von Catan würde man mit dieser Ausgangsposition wohl das Brett umwerfen.
Aber man hatte auch etwas auf der Habensseite: Eine Armee von konfuzianistisch-erzogenen ArbeiterInnen. Und diese bildeten das Rückgrad des südkoreanischen Aufschwungs, der von der staatlichen Führung wie in einem Strategiespiel, gewissermaßen "Top-Down" in mehreren Entwicklungsschritten organisiert wurde. Weil zunächst kein Binnenmarkt vorhanden war, wurden südkoreanische Arbeitskräfte in die weite Welt gesandt, wo sie an unzähligen Bauprojekten und Wiederaufbauten nach dem zweiten Weltkrieg beteiligt waren. Parallel stellte man in heimischen Fabriken allerhand einfacher Artikel für den Weltmarkt her. Das Zentrum dieser wirtschaftlichen Aktivität stellten die staatlichen Großkonzerne dar, die bis heute noch einen extrem großen politischen Einfluss haben: Hyundai, KIA, Samsung, etc.
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Der Cheonggye-Stream: Seoul vor 60 Jahren |
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Das gleiche Areal 60 Jahre später: In diesem Zeitraum wurde die gesamte Stadt inkl. Subway errichtet - von einer Generation. |
Und in Zukunft? Erst letzte Woche hat Samsung mit seiner Galaxy-Sparte Apple als Smartphone-Platzhirsch abgelöst. Der nächste Entwicklungsschritt soll übrigens von der Roboterproduktion getragen werden. Also: Daumen aber mal ganz senkrecht nach oben?! - Vielleicht ...
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Muss sich etwas dazuverdienen: Eine koreanische Rentnerin verteilt Werbeflyer für ein Restaurant. |
... wenn da nicht solche Bilder wären. Wie oft geht ich durch die Stadt und sehe gebückte Rentner mit einfachen Besen den Bordstein fegen, Mülleimer ausleeren oder Flaschen zusammensammeln. Der Aufstieg scheint in vielen Fällen genau bei denen nicht anzukommen, die ihr Leben lang an ihm mitgearbeitet haben. Laut Christoph liegt der Steuersatz in Südkorea bei etwa 10% - da wundert es einen irgendwie nicht, dass es zu solchen Entwicklungen kommt.
Südkorea ist geprägt von einem knallharten Wettbewerb. Wer es schafft, auf eine der drei, vier besten Universitäten des Landes zu kommen, der wird zwar - nach unseren Maßstäben und Lebensmodellen - immer noch kein himmlisches Leben haben, aber wenigstens ein finanziell extrem erträgliches. Und das ist, wie bereits an anderer Stelle meines Blogs berichtet, in einer Kultur, die vor allem in der Öffentlichkeit stattfindet und somit relativ stark von den dort zu präsentierenden Statussymbolen angetrieben wird, keine schlechte Sache.
Dieser Wettbewerb um die Gewinner-Plätze bedeutet auch, dass es einen extremen Druck gibt, möglichst attraktiv zu sein. Gestern habe ich die Anzeige einer Schönheitsklinik aus der Subway gepostet. Hier ist eine weitere, wobei ich ohne Mühe bestimmt zehn, zwölf solcher Plakate hätte ablichten können:
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Neue Nase gefällig? |
Man sieht diese Tendenz aber auch an unzähligen Kosmetikgeschäften oder Abnehmprogrammen:
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Ich hab' zwar ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer, wie es Koreaner schaffen können, dick zu werden (ich hab hier durch das gesunde Essen schon 3kg an Fett abgenommen!), aber auch das gibt es - und diejenigen haben es hier wirklich, wirklich schwer! Dick zu sein gilt nicht nur als Makel, sondern auch als Zeichen von Charakterschwäche.
Wenn wir schon mal beim Thema Essen sind: Hier noch kurz mein kulinarisches Highlight letzte Woche, das ich zusammen mit Anne, einer deutschen Freundin, die nun für ein Jahr hier leben wird, gegessen habe.
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Warum gibt es solche Restaurants eigentlich nicht bei uns? Wir sind doch auch eine verdammte Grillnation! |
Man kriegt zu Beginn die sidedishes serviert und den Grill befeuert. Dann ordert man das gewünschte Fleisch und brät/grillt es (natürlich Männerarbeit!) am eigenen Tisch. Um die Grillfläche herum brutzelt eine Art Rührei. Lecker!!!!
So. Das war mal wieder ein langer Post. Ich hoffe es war für jeden etwas dabei - und die angeforderten Bilder haben euch Spaß gemacht.
Nächste Woche Samstag werde ich zur Expo fahren, ansonsten ist hier Olympia ein ganz großes Ding und ich versuche ab und zu ein paar Wettkämpfe zu schauen. Ich habe gehört, dass es für "uns" nicht unbedingt gut läuft - aber seht's mal so: Die Koreaner können ihre Goldmedaillen auf Grund des "Flag-Incidents" gar nicht richtig genießen! :-)
Viele Grüße,
Jonathan